Welcome Innsbruck - WINTER 2014 - page 92

WELCOME
||
92
KAFFEEHAUSKULTUR
EinStückWien
inTirol. //
MONIKAFRENZEL, FOTOS: STÉPANEMUS/INNFOCUSPHOTOGRAPHY, TOMBAUSE
T
ypisch für einWienerKaffeehaussindMarmortischchen, aufde-
nenderKaffeeserviertwird, Thonetstühle, Logen, Zeitungstisch-
chen undDetails der Innenausstattung im Stil des Historismus.
Wiener Kaffeehäuser sind Orte, wo Zeit und Raum konsumiert werden,
aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht. So beschreibt der Club der
WienerKaffeehausbesitzerdieeinzigarigeKultur–dieauch fürTirolgilt.
Geschichte
DasWiener Kaffeehausgeht ins späte17. Jahrhundert zurückundwird
mit den Türkenbelagerungen 1683 in Zusammenhang gebracht. Als
die Türken fliehenmussten, ließen siemehrere Säcke Kaffeebohnen
zurück. Der armenische SpionDiodato, der imDienst desHofes stand
undwohl vertrautmit dem „neumodischenGebräu“war, soll das erste
Kaffeehausbegründet, GeorgFranzKolschitzky indenAnfängeneinen
Kaffeeausschank betrieben haben. Im „Kramerischen Kaffeehaus am
Graben“ gab es bereits seit 1720 Zeitungen. Das obligatorische Glas
Wasserwar vonAnfangan serviertworden.
DienapoleonischeKontinentalsperreverteuerteden Import vonKaf-
feebohnen undman suchte verzweifelt nach einer Lösung, die im ty-
pischenWiener Begriff „Kaffee-Restaurant“ gefundenwurde. Nun durf-
ten zudemwarme Speisen und alkoholische Getränke serviert werden.
1814/15, als Gäste aus nah und fern zum Kongress in Wien weilten,
erfuhr das Kaffeehaus einen enormenAufschwung. DasWiener Vorbild
mit seinenplüschigenStühlenundKristalllusternwurdeallerortsnach-
geahmtund inganzEuropazumSynonym für Lebensqualität!
1856 wurde schließlich auch Frauen der Zugang zum Kaffeehaus
gestattet, zuvor waren sie nur in der Person der „Sitzkassierin“ gedul-
det, diedieVerteilungdes ZuckersbeaufsichtigteunddieAbrechnung
vornahm. Der „Piccolo“ musste die Tische aufstellen und dafür sor-
gen, dass dasWasserglas immer gefüllt war. Sein Jobwar es auch, als
„postillon d’amour“ Briefchen zuzustellen, was man einem seriösen
Oberkellner, dessenganzer Stolzeswar, jeden seinerGästemitNamen
undTitel anzusprechen, nicht zumutenkonnte!
Tradition inTirol
UmdasPrädikat „ältestesnocherhaltenesKaffeehaus Innsbrucks“ be-
mühen sich heute zwei Kaffeehäuser, die beide eine lange, beeindru-
ckendeGeschichteaufweisenkönnen. DasCaféKatzung inderHerzog -
Friedrich-Straße geht in das Jahr 1793 zurück, wo Anton Georg Kat-
zungeineKonditorei eröffneteundkurzdarauf zum „2. Hof-Zuckerbä-
cker der ErzherzoginM. Elisabeth“ sowie zum Stadtkoch ernannt wur-
de. Die Familiengeschichte der Katzungs reicht bis in das Jahr 2000,
wo die letzte Trägerin dieses Namens, Paula, starb und das Café der
Familie Dengg überließ. Im Katzung wird Kaffeehauskultur in mo-
dernem Ambiente gepflegt, wo es aber auch noch Nischentischchen
aus Marmor und diverse Kaffeespezialitäten gibt. Das Café Munding,
etwas versteckt in der Kiebachgasse, indes wurde 1803 gegründet.
Demnach wäre das Katzung um ganze zehn Jahre älter. Aber: An der
Stelle, wo sich heute das Munding befindet, gab es bereits die Kon-
ditorei des Zuckerbäckers Kircher, die Nepomuk Munding übernahm
und ausbaute. Und dessen Wurzeln widerum reichen weiter zurück.
Wie auch immer: Die Köstlichkeitendes Zuckerbäckers sindheute auf
jeden Fall noch genauso begehrt wie zu seinen Anfängen. Der Gast-
garten im Sommer fernab des Trubels der Altstadt lädt zu einem ge-
mütlichenPlauschein.
Die Klassiker: Das Café Central in der Gilmstraße beim Stadtforum
istdas typischeAltwiener Caféundstammt von1884. Dieses130 Jahre
alte Traditionshaus bietet auch heute noch ein angenehmes Ambien-
te für seine Besucher und entspricht am besten dem Typus des „Wie-
nerKaffeehauses“.Mit seinen65ZeitungenundMagazinen lädt eszum
längeren Besuch ein. Neben einem vielfältigen Kaffeeangebot gibt es
auch Speisen zu jeder Tageszeit. Das Café Sacher am Rennweg 1 als
Café der Kaiserlichen Hofburg ist seit 2000 in Innsbruck als Depen-
dancedesberühmtenWienerVorbildesvertreten.DaserleseneSortiment
anMehlspeisenwird nur von der berühmten Sachertorte übertroffen,
die Franz Sacher 1832 erfand und deren Originalrezept bis heute ein
streng gehütetes Geheimnis ist. Und: Hier kannman auch vorzüglich
speisen; neben den typisch österreichischen Klassikern verwöhnt ein
HaubenkochauchanspruchsvolleGeschmäcker.
||
©T.BAUSE
1...,82,83,84,85,86,87,88,89,90,91 93,94,95,96,97,98,99,100,101,102,...116
Powered by FlippingBook