Welcome Innsbruck - SOMMER || SUMMER 2014 - page 32

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BäuerlicheAlltagskleidung
Die Alltags- undArbeitskleidung der Bauern geht bereits auf dasMit-
telalter zurück undmusste in erster Linie zweckmäßig sein. Als Vor-
läufer der Tracht entwickelte sie sich mit steigendem Standesbe-
wusstsein. Einerseits war das religiöse Leben prägend, speziell an
hohen kirchlichen Festtagen ein entsprechendes, feierliches Gewand
zu tragen. Schmuck, Ranzen, Schnupftabakdosen, Stickereiarbeiten
und kostbare Seidentücher gehörten zu diesen Gewändern und wa-
renheißbegehrt. Dieses handwerklichbeachtliche Zubehör wurde in
denFamilien vererbt. Festtagskleidungwar einZeichen für Standund
Herkunft, wenn es auch in den Anfängen der Tracht keine streng ge-
regelten einheitlichen Taltrachten gab. Die Bezeichnung „Tracht“ lei-
tet sich von „tragen“ ab – so gab es in früherer Zeit sog. „Kleiderord-
nungen“, die genau festhielten, was sich für welchen Stand geziemte.
Denn schließlich wollte man den sozialen Unterschied auf einen
Blick verdeutlichen. Bereits im 16. Jh. war es der bäuerlichen Bevöl-
kerunguntersagt, „teure“ Pelzewieauch luxuriöseStoffe zu tragen.
BegehrteLuxusgüter
Durchziehende Händler führten oft exklusive Stoffe mit sich und
kannten auchneueste Verarbeitungen. Siewurdenneugierig belagert,
wenngleich häufig das Geld für solche Luxusartikel fehlte. Viele be-
rühmte Durchreisende – neben Händlern waren es Adelige, welche
TRACHTMEETSDIRNDL
sichauf der „GrandTour“ befanden, Dichter undMusiker – trugen zum
Mythos „TYROL“ bei. Ihre Schilderungen erregtenoft Staunen, diebun-
tenKleider der Einheimischen, ihr Frohsinnund ihreGastfreundschaft
formten langsam, aber sicher dasBilddes Tirolers.
ErsteTrachtenserien
Im ausgehenden 18. Jahrhundert gibt es erstmals Kupferstichserien, auf
welchenmandiebunten regionalenFesttagstrachtenbewundernkonnte,
wiez.B. von JohannGeorgSchädler (1777–1866).DieseSerienvonTrach-
tenbildern verhalfender buntenKleidungder TirolerBevölkerung zuwei-
tererVerbreitungundwarensehrbeliebt. Dabei lässt sich festhalten, dass
diebuntenTrachtendurchausschonseitdemspäten17. Jahrhundertvon
der bäuerlichen Bevölkerung als Festtagsgewand getragen worden sind.
Diese schmucken uneinheitlichen Festtagstrachten symbolisierten Fest-
charakterundZugehörigkeitsgefühl. InderzweitenHälftedes19. Jahrhun-
dertskamdanneinEinbruch,mantauschtedieoftunbequemenTeile(z.B.
Mieder)gegeneinfachereOberteileausundbeidenHerren trugmanstatt
LederhosenStoffhosen.
TalschaftstrachtenundnationalesSelbstbewusstsein
Auf die ursprüngliche Tracht besann man sich dann bei der
100-Jahr-Feier zu den Tiroler Freiheitskämpfen 1909 – hier trugen
erstmals ganze Talschaften dieselbe Tracht, um das Nationalgefühl
unddiegemeinsameAbstammung zu verdeutlichen. Neu kamen jetzt
auchdieMusikkapellenundSchützenvereinedazu,wonuneinheitlich
festgelegtwurde, wiedieTracht auszusehenhatte.
Dirndl &Lederhose–einKlischee vonTirol?
Heute ist die Tracht in Tirol aus dem Alltagslebenmehr oder weniger
verschwunden; sie wird aber noch am Land als Festtagsgewand häu-
fig getragen, besonders bei kirchlichen oder familiären Festen. Dirndl
und Trachtenjanker hingegen wurden von der Mode schon längst als
„kleidsam“ erkannt und vereinnahmt und erfreuen sich bei gesell-
schaftlichen Anlässen in modifizierter Form steigender Beliebtheit.
Bei Hochzeiten am Lande, Festspielen und Festen jeglicher Art – ein
schmuckes Dirndl und eine fesche Lederhose dürfendabei nicht feh-
len! Vieles, was heute von Modedesignern angeboten wird, hat mit
der ursprünglichen Tracht nichtsmehr zu tun, doch lässt sich zuneh-
mend ein Trend beobachten, der vor allem junge Leute anspricht.
SosindheutzutageTrachtenwieauchdasmodischereDirndl gleicher-
maßen beliebt – beide Varianten haben etwas gemeinsam: Sie sind
feschundkleiden ihreTräger ausgesprochengut.
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DieTrachtwar schon immer inTirol dasgängigsteKleidungsstück–
populärwurde sie, alsmanauf Tirol
vomAuslandaufmerksamwurdeunddieTiroleran ihrer farbenfrohenKleidungerkannte. InderRomantik
fügten sichdiesebuntenGewänderharmonisch indasKlischeebild,welchesvom „schneidigen“ Tiroler
geprägtwurde: immer lustig, zuSpäßenaufgelegt, vaterlandsliebendund in ihrenbuntenTrachten zwar
etwashinterwäldlerisch, aberdurchaus liebenswert ... ||
MONIKAFRENZEL
J.G.SCHÄDLER,TIROLERLANDESMUSEEN,FERDINANDEUM
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